Fern … und doch so nah

Unternehmen müssen lernen, externe und interne Kommunikation neu zu denken. Nur so können sie trotz «Remote-Kultur» mit Stakeholdern in Berührung bleiben.

Im Interview

Im Interview mit dem Magazin M&K: Dr. Joëlle Loos-Neidhart, Verwaltungsrätin der Neidhart + Schön Group, und Gert Schröder, CEO der NeidhartSchön AG, kennen die wichtigsten Trends in der externen und internen Kommunikation von Unternehmen.

M&K: Wie hat sich die Unternehmens-kommunikation in den vergangenen zwölf Monaten verändert?

GERT SCHRÖDER: Die Gespräche mit unseren teils grossen und namhaften Auftraggebern bestätigen, dass sich die Unternehmenskommunikation, insbesondere die interne, stark gewandelt hat. Wir beobachten, dass die Unternehmen weiterhin sehr gut operieren und kommunizieren. Die Herausforderung liegt oftmals in den prozessualen Anforderungen zur zeitnahen Entwicklung und raschen Produktion von Botschaften und Inhalten.

Ist es schwieriger
geworden, Kommunikation im Unternehmen
zu organisieren?

GERT SCHRÖDER: Mitarbeitende zu erreichen und formal zu informieren ist zwar über die zahlreichen Remote-Kanäle wie Teams, Zoom, Slack, Mail et cetera weiterhin möglich, aber die qualitative, tiefgründigere, emotional packende Kommunikation leidet unter dem Homeoffice- Einfluss jedoch stark.

Kann man dem
gesteigerten Informa-tionsbedürfnis der
Mitarbeitenden mit
«klassischen» Mitteln
wie Magazinen
begegnen?

JOëLLE LOOS: Wir stellen bei unseren Kunden einen erhöhten Kommunikationsbedarf fest. Gerade Mitarbeitermagazine erleben nach unseren Erkenntnissen eine Art «Renaissance». Allerdings verändern sich Inhalte, Kanäle und Tonalität zusehends. Aus einem Informationsmedium wird ein Interaktions- und Kooperationsmedium nicht nur beim Austausch der Informationen, sondern das gilt ebenso für die Produktion der Inhalte. Digitale Plattformen und Prozesse ermöglichen die Co-Kreation der Inhalte auch remote und damit den Einbezug unterschiedlicher Unternehmensbereiche. Klicks und Verweildauer sowie Interaktionen können einfach gemessen, ausgewertet und damit Inhalt und Form laufend an die Leserbedürfnisse angepasst werden.

Das komplette Interview finden Sie hier als Video.

Disruption

Der Begriff der Disruption hat in den vergangenen Jahren auch in der Schweiz einen veritablen Hype erlebt. Zumeist wurde er in Vorträgen, Fachartikeln oder Managementschulungen sehr positiv konnotiert – als Anlass, kreativ «um die Ecke» zu denken oder Innovationspotenzial freizusetzen. Doch was die «Disruption» wirklich bedeutet, wird vielen in der Pandemie erstmals richtig bewusst: Dem Wortsinn nach beinhaltet sie nämlich nicht nur Wandel, sondern auch Zerstörung.

Prozesse, die sich über Jahre eingespielt haben, funktionieren plötzlich nicht mehr; Gewissheiten, auf denen das Geschäftsgebaren gründete, werden ausgehebelt. Auch und insbesondere in der Unternehmenskommunikation: Extern wie intern mussten und müssen Firmen neuen Zugang zu Stakeholdern – seien es Kunden, seien es Mitarbeitende – finden. Die besondere Challenge: Während auf allen Seiten das Bedürfnis nach Informationen gewachsen ist, sind persönliche Treffen und der damit verbundene Austausch in Coronazeiten zur Seltenheit geworden.

Tempo

Das hat zunächst einmal zu einer enorm gesteigerten Geschwindigkeit im Bereich der digitalen Kommunikation geführt. Bewiesen wird dies etwa durch die Ergebnisse einer globalen Studie der Cloud-Kommunikationsplattform Twilio: Für den «Covid-19 Digital Engagement Report» befragte Twilio weltweit über 2500 Entscheidungsträger in Unternehmen dazu, welche Auswirkungen die Pandemie ihrer Meinung nach auf die digitale Transformation und die Kommunikationsplanung ihrer Unternehmen haben wird. Im internationalen Durchschnitt gaben die Verantwortlichen an, dass sie mit ihren digitalen Kommunikationsstrategien bereits jetzt an einem Punkt stehen, den sie unter normalen Umständen frühestens in sechs Jahren zu erreichen glaubten.

Das mag positiv klingen, bringt aber – Stichwort Disruption – auch enorme Herausforderungen mit sich. Die Frequenz von Zoom-Meetings, virtuellen Townhalls und Skype-Calls hat stark zugenommen, damit einhergehend wuchs je-doch bei vielen das Gefühl, dass die Qualität individueller Kontakte abgenommen hat. Informationen werden zwar weitergegeben, aber der Tiefgang fehlt.

Externe Kommunikation

In der externen Kommunikation – etwa bei der Lancierung von Produkten, im Marketing und in der Abwicklung von Aufträgen – führt das zu Verunsicherung. Das Gegenüber lässt sich nicht mehr so leicht «lesen», Zustimmung oder Ablehnung können von Bildschirm zu Bildschirm weniger gut erkannt werden als beim Meeting oder Business Lunch. Der Unternehmer-Blog Jimdo empfiehlt daher, den Kunden mit Menschlichkeit zu begenen ehe man ein professionelles Gespräch beginnt; ehrlich zu erwähnen, dass auch man selbst die aktuelle Situation ungewöhnlich findet und mit welchen Herausforderungen man sich konfrontiert sieht.

Gleichsam sei es wichtig, dass Unternehmen ihr Marketing zumindest temporär von der Rolle des «Revenue-Treibers» in eine beratende, von den Kunden als hilfreich wahrgenommene Position bringen. Das ist auch dann nützlich, wenn die Produkte, die man im Portfolio hat, gerade nicht zur Lebenssituation der meisten Menschen passen: Man könne trotzdem via Wissenstransfer, so ein Auszug aus dem Pandemie-Guide der Vogel Communications Group, «mit Webinaren, Videos, Blog-Artikeln und E-Papers» im Gespräch bleiben, bis sich die wirtschaftliche Situation erholt.

Interne Kommunikation

Während man extern in mancher Hinsicht «on hold» gehen kann, ist dies intern nicht möglich: Jene Schweizer Unternehmen, die aktuell nicht von politisch verordneten Schliessungen betroffen sind, müssen weiterhin wirtschaftlich agieren und eine Form von Regelbetrieb aufrechterhalten. Mitarbeitende müssen über neue Reglemente informiert, «Onboardings» vollzogen und Bilanzen kommuniziert werden. Alles, natürlich, auf Distanz.

Für Kommunikationsverantwortliche bedeutet das einen enormen Kraftakt: Wie eine neue ZHAW-Studie notiert, ist deren Arbeitsbelastung nicht nur gestiegen, sondern beinhaltet auch erheblich mehr Krisenintervention als noch vor einem Jahr: «Zeitnahe Updates zu den aktuellen Entwicklungen bezüglich Covid-19 und deren Auswirkungen auf die eigene Organisation und die eigene Arbeitstätigkeit» würden aktiv eingefordert; die «Unsicherheiten und Ängste der Mitarbeitenden» führten zu einem erhöhten Informationsbedürfnis. Virtuelle CEO-Fragestunden, so die Studie, seien viel stärker Gegenstand von Interesse als früher – parallel sei es aber komplex, «die emotionale Bindung zu den Mitarbeitenden aufrechtzuerhalten».

Mitarbeiter-Magazine

Unterstützung können hier «alte Bekannte» leisten: die Mitarbeitermagazine, die aktuell besonders in digital angereicherter Ausführung eine Renaissance erleben. Noch 2020 zählte Staffbase, ein Anbieter von Technologie für interne Kommunikation, etwas provokant «vier Gründe, das Mitarbeitermagazin abzuschaffen oder 2021 ganz neu zu erfinden» auf (besagte Gründe für die Abschaffung respektive Neuerfindung waren dabei ein Mangel an Aktualität, fehlendes Targeting, fehlende Messbarkeit sowie das Problem eines geringen Austauschs zu den Inhalten).

Klar ist: Sind sie nur in einer Printversion vorhanden, dann haben solche Magazine bald ausgedient. Werden sie allerdings um digitale Addons ergänzt, dann können sie auch in Zeiten der pandemiebedingten Beschleunigung ein wertvolles Tool sein, um die Mitarbeitenden nicht nur zu informieren, sondern auch zu emotionalisieren.

Die Agentur NeidhartSchön etwa verbindet für Kunden wie Vetropack, Georg Fischer oder Synpulse die Vorzüge von redaktionellem Storytelling mit der Geschwindigkeit von Online und attestiert dem Magazin weiter einen festen Platz im Mix kommunikativer Massnahmen: «Ginge es nur um die Frage der Aktualität, Schnelligkeit und vor allem Dialog, dann wäre es gegenüber den Online-Medien längst bedeutungslos», formuliert das Unternehmen. «Aber es geht um deutlich mehr: um Identität, Orientierung, Anerkennung und Wertschätzung.» Dinge, die zu vermitteln in der Pandemie so essenziell wie komplex geworden sind.

Autor: Johannes Hapig

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