Nachhaltigkeitsreporting – im Finanzbereich gut angesiedelt

Die Umsetzung der CSRD stellt viele Unternehmen vor grosse Herausforderungen. DHL Group hat gute Erfahrungen damit gemacht, das Nachhaltigkeitsreporting im Finanzbereich anzusiedeln: Kompetenzen und Infrastruktur, ein gutes Verständnis für Unternehmenssteuerung und – wichtig für die Einführung der EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – Erfahrung im Umgang mit komplexen (Accounting-)Regelwerken bringen praktische Vorteile. Gleichzeitig werden traditionelle Aufgabenfelder im Finanzbereich erweitert und ESG-Themenverantwortliche entlastet – eine Win-win-Konstellation.

Erstpublikation The Reporting Times, No. 23/2023, Center for Corporate Reporting

DR. KLAUS HUFSCHLAG
ist Senior Vice President Sustainability Reporting & Controlling bei DHL Group und in dieser Rolle sowohl für die externe Nachhaltigkeitsberichterstattung als auch für die Einbindung der Nachhaltigkeitsziele des Konzerns in die finanzielle Steuerung verantwortlich. Seine langjährige Erfahrung bringt er als Mitglied der EFRAG Sustainability Reporting Technical Expert Group auch in die Entwicklung der zukünftigen europäischen Berichtsstandards ein.

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) setzt die EU-Kommission verbindliche Massstäbe für die nichtfinanzielle Berichterstattung. Bereits für das Geschäftsjahr 2024 müssen die grossen, bereits heute zu einer nichtfinanziellen Erklärung verpflichteten Unternehmen ihr Reporting an den neuen Standards ausrichten. Danach wird die Berichtspflicht schrittweise auf weitere bilanzrechtlich «grosse» sowie auf kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen ausgeweitet. Die EU-Finanzmarkt-Kommissarin Mairead McGuinness sieht hierin eine Gleichstellung der Nachhaltigkeitsberichterstattung mit dem Finanzreporting: «For the first time ever, sustainability reporting will be on an equal footing with financial reporting», sagte sie in ihrer Keynote-Rede auf der EFRAG Conference 2022.

Die von EFRAG im Auftrag der EU entwickelten zwölf Einzelstandards der ESRS formulieren umfangreiche Anforderungen an die Unternehmen, sowohl zur Auswahl der Berichtsthemen anhand einer Materialitätsanalyse mit «doppelter Wesentlichkeit » als auch für die pro Thema geforderten Berichtsinhalte.

Mit der Berichtspflicht einher geht zudem auch eine Prüfungspflicht: Materialitätsanalyse und berichtete Themen sind Gegenstand einer verpflichtenden Prüfung durch einen externen Prüfer – zunächst mit begrenzter Sicherheit, im Begleittext der CSRD wird jedoch bereits das Ziel formuliert, perspektivisch zu hinreichender Sicherheit zu gelangen. Für die Unternehmen bedeutet dies, dass ihre Prozesse für das Nachhaltigkeitsreporting genauso belastbar und zuverlässig sein müssen wie für die Finanzberichterstattung. Es liegt daher nahe, das Nachhaltigkeitsreporting im Finanzbereich anzusiedeln.

«For the first time ever, sustainability reporting will be on an equal footing with financial reporting»

EU-Finanzmarkt-Kommissarin Mairead McGuinness

Bei DHL Group bildete das Team für das Carbon Accounting den Ausgangspunkt für die Integration. Das Team ist seit 2008 im Finanzbereich angesiedelt, seinerzeit aus praktischen Erwägungen: So reicht das Reportingsystem des Finanzbereichs als Infrastruktur in alle Konzerneinheiten und bildet den Konzern vollständig ab. Darüber hinaus verfügte die Finanzorganisation schon damals über viel Erfahrung im Aufbau prüfungssicherer Prozesse und Kontrollen. Und schliesslich waren viele der benötigten Daten, zum Beispiel zu Treibstoffverbräuchen, bereits in Finanzsystemen vorhanden und mussten nur in die Berichtsströme eingebunden werden. DHL Group hat daher das Finanzreportingsystem auch zur Single Source of Truth für nichtfinanzielle Kennzahlen gemacht.

DHL nutzt Erfahrungen im Finanzbereich

Mit der Vorstellung seines Nachhaltigkeitsfahrplans 2021 hat der Konzern hierauf aufgebaut und die Verantwortung für Reporting und Controlling der Nachhaltigkeitsziele gänzlich im Finanzbereich zusammengeführt. Dabei zeigte sich ein weiterer Vorteil: Dank der analytischen Erfahrung und der datenorientierten Controlling-Sichtweise im Finanzbereich ist es nicht nur schnell gelungen, zu einem aussagekräftigen Berichtswesen zu gelangen, sondern auch die Voraussetzungen für ein echtes Nachhaltigkeitscontrolling zu schaffen, sodass die Nachhaltigkeitsziele von DHL Group heute umfassend in der Unternehmenssteuerung verankert sind.

Natürlich kann der Finanzbereich dies nicht allein: ESG Reporting basiert auf Dialog, es braucht ein gutes Netzwerk der Zusammenarbeit mit den Spezialistinnen und Spezialisten für die einzelnen Themen, mit den Topic Ownern, die sich um die operative Seite der ESG-Themen kümmern. Gemeinsam wurden die Kennzahlen definiert, Datenströme aufgesetzt und notwendige funktionale Erweiterungen an den Systemen entwickelt; jüngstes Beispiel ist das DHL GoGreen Dashboard, das ähnlich einer Kostenrechnung für Emissionen funktioniert und in dem Kunden die mit ihren Sendungen verbundenen Emissionen analysieren können.

Insgesamt entsteht eine Win-win-Situation: Topic Owner werden von Reporting-Themen entlastet, und gleichzeitig profitiert das Rollenbild im Finanzbereich: Der «Blick über den Tellerrand», die Auseinandersetzung mit physischen, sozialen und regulativen Gegebenheiten und Prozessen erweitert das individuelle Geschäftsverständnis.

Der Finanzbereich und die verschiedenen Topic Owner müssen die Auswirkungen, Risiken und Chancen der ESRS-Themen gemeinsam ermitteln und bewerten.

Gerade mit Blick auf anstehende ESRS-Einführungsprojekte ist ein derartiges Setup vorteilhaft: Mit den ESRS wird dem Nachhaltigkeitsreporting ein umfangreiches Regelwerk auferlegt. Der Finanzbereich verfügt aus dem Accounting heraus über viel Erfahrung in der Umsetzung komplexer Regularien, gleichzeitig ist er traditionell mit allen betrieblichen Funktionen gut vernetzt – und dies ist in der ESRS-Einführung bereits im ersten Schritt, für die Wesentlichkeitsanalyse, wichtig: Anhand dieser müssen die Unternehmen bestimmen, welche der vielen in ESRS 1 aufgezählten Themen und der knapp 1000 in den ESRS definierten Datenpunkte letztendlich berichtswürdig sind. Hierfür sind nach der sogenannten «doppelten Wesentlichkeit» die finanzielle Wesentlichkeit für das Unternehmen und die (nichtfinanzielle) Wesentlichkeit der Auswirkungen zusammenzubringen. Der Finanzbereich und die verschiedenen Topic Owner müssen also gemeinsam die Auswirkungen, Risiken und Chancen der ESRS-Themen ermitteln und bewerten.

Im Anschluss daran muss ein gemeinsamer Plan für den Ausbau des ESG-Reportings entwickelt werden – und es ist im Sinne der ESRS, hier von vornherein integriert zu denken und finanzielle sowie nichtfinanzielle Sachverhalte im Zusammenhang abzubilden. Der Finanzbereich ist dafür geradezu prädestiniert.

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