Quantensprung dank Nachhaltigkeit

Seit Juni 2022 ist es Gewissheit. Die Europäische Union (EU) wird mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ab dem Geschäftsjahr 2024 ihre Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung grundlegend neu regeln. Getrieben durch den Wunsch, Finanzmarkteilnehmern zuverlässige Nachhaltigkeitsdaten zur Verfügung zu stellen, müssen sich sowohl EU- als auch Drittstaatenunternehmen auf detaillierte Berichtsvorgaben in der gesamten Breite der ESG-Themen einstellen.

WP / STB DIPL.-KFM. GEORG LANFERMANN
ist Präsident des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC), Berlin, sowie Vizepräsident des Administrative Board der EFRAG. Zuvor war er 16 Jahre Partner im Department of Professional Practice der KPMG AG.

Brüssel einigt sich auf CSRD-Kompromiss

Es ist nicht weniger als eine kleine Revolution, die derzeit im Bereich der Unternehmensberichterstattung Gestalt annimmt. Im Juni 2022 wurde in Brüssel im sogenannten Trilog zwischen den Berichterstattern des Europäischen Parlaments, der französischen Ratspräsidentschaft und der Europäischen Kommission der politische Kompromiss zur CSRD gefunden. Die nächsten Schritte bis zum Inkrafttreten der CSRD gelten als Formalie. Mit der CSRD erhält die EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung als Teil der Lageberichterstattung einen der Finanzberichterstattung vergleichbaren Stellenwert.

Neu ist der umfassende Regulierungsanspruch der EU. Während es in der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) einen flexiblen, verpflichtenden Rahmen gab, der auch separate Nachhaltigkeitsberichte aufgrund freiwilliger Rahmenwerke wie etwa der Global Reporting Initiative (GRI) erlaubte, werden nunmehr die Zügel deutlich angezogen. Um Finanzmarktteilnehmern im Zusammenhang mit der Sustainable Finance Initiative der EU zuverlässige, leicht zugängliche Nachhaltigkeitsinformationen zu verschaffen, sind nunmehr von ca. 49’000 EU-Unternehmen in einem gesonderten Abschnitt im (Konzern-) Lagebericht Nachhaltigkeitsangaben offenzulegen. Dazu gehören insbesondere die verbindlich anzuwendenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die von der Europäischen Kommission erlassen werden sollen. Die Vorarbeiten hierzu wurden bei der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) in den vergangenen Monaten parallel zum CSRD Gesetzgebungsverfahren vorangetrieben. Die EFRAG hatte im Frühjahr im Rahmen einer Statutenänderung formal eine neue Säule in der Organisationsstruktur eingerichtet, um der neuen Aufgabe als Standardsetzer im Bereich der Nachhaltigkeits­berichterstattung gerecht werden zu können. Bis zum 8. August wurden dreizehn ESRS-Entwürfe durch EFRAG konsultiert. Die ESRS-Entwürfe wurden Ende 2022 an die Europäische Kommission übermittelt, um bis Mitte 2023 verabschiedet werden zu können.

Inhaltlich wurde noch bis Juni 2022 um einige kritische Themen der CSRD gerungen. Diskussionspunkte waren insbesondere die Berichtsebene – vorzugsweise der Konzern mit Ausnahme grosser kapitalmarktorientierter Tochterunternehmen und die explizite Möglichkeit zur integrierten Berichterstattung. Ferner war die Frage der externen Prüfung umstritten, zumal die Frage im Raum stand, ob der gesetzliche Abschlussprüfer auch im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung tätig werden könnte. Es wurde zwar keine vollständige Integration von Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung ermöglicht, aber der Abschlussprüfer ist möglicher Prüfer.

Internationale Konsistenz mit ISSB

Ein besonderer Punkt in der politischen Diskussion um die CSRD bildete die Frage, inwieweit die parallele Entwicklung der Standardsetzung auf internationaler Ebene berücksichtigt werden soll. Deutschland hatte mit der Ansiedlung des International Sustainability Standards Board (ISSB) unter dem Dach der IFRS Foundation sein besonderes Interesse an einem sogenannten «Global Baseline»-Ansatz zum Ausdruck gebracht, also globalen Mindeststandards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Im ISSB sind in den vergangenen Monaten viele der bedeutendsten internationalen Initiativen zur Nachhaltigkeits­berichterstattung, insbesondere das Climate Disclosure Standards Board (CDSB) und die Value Reporting Foundation (VRF), lanciert worden. Jedoch fokussiert sich das ISSB auf investorenorientierte Berichtsstandards, wohingegen EFRAG bei der Erarbeitung der ESRS auch die Informations­bedürfnisse anderer Interessengruppen wie NGOs im Blick hat. Gerade solche Interessengruppen haben das Bedürfnis, neben den finanziellen Auswirkungen der Unternehmens­aktivitäten auch über die Auswirkungen der Unternehmens­aktivitäten auf Mensch und Umwelt informiert zu werden («Impact Reporting»). Dieses Konzept verfolgt auch GRI. Mit der GRI werden seitens des ISSB derzeit Details einer zukünftigen Kooperation diskutiert, um bereits auf globaler Ebene eine Art Arbeitsteilung zu erreichen. Letzteres könnte auch dabei helfen, konzeptionelle Differenzen zwischen den ESRS und den Sustainability Disclosure Standards des ISSB im Bereich des «Impact Reporting» durch klar definierte Aufgabenprofile zu überbrücken. Entsprechende Formulierungen in der CSRD bieten derzeit Anlass, bei EFRAG über einen Standardaufbau im Sinne einer «Global Baseline» nachzudenken.

Ab dem Geschäftsjahr 2024 geht es los

Die CSRD-Berichtspflichten werden ab dem Geschäftsjahr 2024 gestaffelt eingeführt, was jeweils zum Beginn des Folgejahrs zur Berichterstattung durch die betroffenen Unternehmen im (Konzern-)Lagebericht führt. Der zeitliche Anwendungsbereich beginnt mit denjenigen Unternehmen, die bereits heute eine nichtfinanzielle (Konzern-)Erklärung nach der NFRD abgeben müssen. Der Grossteil der neu hinzukommenden grossen Unternehmen wird für das folgende Geschäftsjahr 2025 erstmals nach den neuen Vorgaben 2026 berichten. Ein weiteres Geschäftsjahr später folgen besondere Vorgaben für kapitalmarktorientierte kleine und mittelgrosse Unternehmen, für deren Berichtspflichten EFRAG erst noch ESRS erarbeiten muss.

«Es ist nicht weniger als eine kleine Revolution, die derzeit im Bereich der Unternehmens­berichterstattung Gestalt annimmt.»

Georg Lanfermann
Präsident bei DRSC – Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V.

Berichtspflichten
auch für Nicht-EU-Unternehmen

Eine Besonderheit ist, dass auch bestimmte Drittstaatenunternehmen von den CSRD-Vorschriften betroffen sind. Dies gilt für das Geschäftsjahr 2028 für Drittstaatenunternehmen, die EU-Niederlassungen oder EU-Tochterunternehmen haben. Dabei müssen die Drittstaatenunternehmen einen Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren erwirtschaften. Zudem müssen die Umsätze der EU-Niederlassungen im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens 40 Millionen Euro betragen haben, das EU-Tochterunternehmen muss gross sein, oder die übertragbaren Wertpapiere des EU-Tochterunternehmens sind zum Handel an einem geregelten EU-Markt zugelassen. Grundsätzlich soll die Berichterstattung auf Grundlage der CSRD bzw. der ESRS erfolgen. Eine Konkretisierung wird über besondere delegierte Rechtsakte festgelegt werden. Gegebenenfalls werden von der EU gleichwertige Berichtsanforderungen anerkannt. Dies wird auch Schweizer Unternehmen betreffen, die sich in genannter Weise auf dem Gebiet der EU engagieren.

Überblick über zentrale CSRD-Inhalte

AB DEM GESCHÄFTSJAHR 2024 GEHT ES LOS

  • Grosse haftungsbeschränkte EU-Unternehmen
  • Grosse EU-Versicherungsunternehmen
  • Grosse EU-Kreditinstitute
  • Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften (Ausnahme: EU-Mikro-Unternehmen)
  • Nicht-EU-Unternehmen mit über 150 Mio. Euro Umsatz innerhalb der EU und mit EU-Niederlassungen (40 Mio. Euro Umsatz innerhalb EU) oder EU-Tochter­unternehmen (gross oder EU-kapitalmarktorientiert)

GESTAFFELTE EINFÜHRUNG DER BERICHTSPFLICHTEN

  • Geschäftsjahr 2024: bisher zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung verpflichtete Unternehmen
  • Geschäftsjahr 2025: alle anderen grossen Unternehmen
  • Geschäftsjahr 2026: kapitalmarktorientierte KMU
  • Geschäftsjahr 2028: Nicht-EU-Unternehmen mit EU-Niederlassungen oder EU-Tochterunternehmen
  • Opt-out-Möglichkeit für kapitalmarktorientierte KMU: Nutzung eines zweijährigen Übergangszeitraums, das heisst erstmalige Anwendung im Geschäftsjahr 2028 möglich

BERICHTSORT

  • Verpflichtend in gesondertem Abschnitt des (Konzern-)Lageberichts

DIGITALISIERUNG

  • (Konzern-)Lagebericht wird in einheitlichem elektronischem Format gemäss ESEF-Verordnung erstellt; Nachhaltigkeitsangaben sollen nach zukünftigem Standard ausgezeichnet werden

BERICHTERSTATTUNG AUF KONZERNEBENE / BEFREIUNG FÜR TOCHTER­UNTERNEHMEN

  • Tochterunternehmen werden grundsätzlich von der Berichterstattungspflicht befreit
  • Ausnahmen/Besonderheiten:
    • Keine Befreiung für grosse kapitalmarkt­orientierte Tochterunternehmen
    • Besondere Berichterstattung über Risiken und Auswirkungen im Konzernlagebericht in Bezug auf bestimmte Tochterunternehmen, wenn signifikante Unterschiede in den Risiken und Auswirkungen von Tochterunternehmen im Vergleich zum Gesamtkonzern bestehen

BESONDERES REGIME FÜR KAPITALMARKT­ORIENTIERTE KMU

  • Reduzierte KMU-Berichtspflichten
  • Erwartete Ausstrahlungswirkung der CSRD-Vorschriften auf KMU ausserhalb des CSRD-Anwendungsbereichs, insbesondere über Angaben zur Wertschöpfungs- und Lieferkette

EFRAG ALS STANDARDSETZER

  • EFRAG als die EU-Institution, die die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) ausarbeitet und der Europäischen Kommission in Form von fachlichen Empfehlungen unterbreitet. ESRS werden anschliessend als delegierte Rechtsakte durch die Europäische Kommission verabschiedet.

SEKTORSPEZIFISCHE STANDARDS

  • Insbesondere für Sektoren mit hohen Risiken/Auswirkungen, zum Beispiel Land- und Forstwirtschaft, Baugewerbe, Energie- und Wasserversorgung

Erstpublikation The Reporting Times, No. 21/2022

Mehr über das ESG-Ökosystem und systemgestütztes ESG-Reporting erfahren?

Cookies helfen uns bei der Bereitstellung unserer Dienste. Durch die Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen.