Vom Geschäftsbericht zum ESG-Reporting

Die Forstwirtschaft lehrt: In einem nachhaltig bewirtschafteten Wald dürfen nur so viele Bäume gefällt werden wie nachwachsen können. Übertragen auf den Kapitalmarkt vertrauen nachhaltig und langfristig denkende Anleger ihr Geld sozial, gesellschaftlich und ökologisch verantwortungsbewussten Unternehmen an.

Der spürbare Wandel der Gesellschaft hin zu bewussterem Konsumieren und Handeln, der durch die EU-Kommission formulierte „European Green Deal“ und dadurch ausgelöste politische und regulatorische Initiativen, gesellschaftliche Debatten sowie die COVID-19- Krise verstärken den Druck auf Unternehmen, sich nachhaltig zu verhalten und darüber zu kommunizieren. Auch oder gerade am Kapitalmarkt bedeuten die steigenden Ansprüche der Financial Community eine deutliche Verschiebung hin zu nachhaltig gemanagten Investments. ESG und in der Konsequenz das ESG-Reporting gewinnen damit an strategischer Bedeutung. Was bedeutet dies für Unternehmen?

Treibende Faktoren



Chronologisch betrachtet fallen drei große Einflussfaktoren auf:

1. Kapitalmarkt:
In den vergangenen Jahren wurde ESG zu einem vom Kapitalmarkt getriebenen Thema. Der damit einhergehende Paradigmenwechsel von „Nice-to-have“ zu „Must-have“ begann, sich rasant zu entwickeln. Immer mehr haben Investoren soziale, ökologische und ethische Konsequenzen von Investitionen in Unternehmen und Staaten in die Analyse von Wertpapieren einbezogen. Gut erkennen lässt sich diese Entwicklung in der institutionellen Kapitalanlage auf kontinentaleuropäischer Ebene. Hatte 2018 nur gut die Hälfte (53%) der institutionellen Anleger ESGKriterien für Investitions- und/oder Auswahlentscheidungen für externe Mandate herangezogen, waren es 2020 schon 76%. In Deutschland verdoppelte sich dieser Wert sogar von 29% auf 61%. Mit absoluten Spitzenwerten zeigten Skandinavien (93%) und die Niederlande (97%), dass noch mehr ESG geht – hier erfolgt fast keine institutionelle Kapitalanlage mehr ohne ESG-Berücksichtigung.

Quelle: Fidelity International, Greenwich Associates, Juli 2020

2. Pandemie:
Die COVID-19-Krise verstärkte den Fokus auf ESG-Kriterien – vor allem in Bezug auf die Aspekte „S“ und „G“, welche für Unternehmen entscheidende Differenzierungsfelder darstellen. Der Einsatz von Impfstoffen fordert die Welt in der Gesundheitskrise heraus, gerade in Bezug auf die Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Lebensgrundlagen und Lebensweisen. COVID-19 hat die globale Ungleichheit verschärft, weshalb Verteilungseffekte, Gerechtigkeit und Fairness stärker in den Mittelpunkt rücken. Unternehmen müssen zu diesen Themen eine Haltung einnehmen und danach handeln.

3. Regulatorien:
Vielzählige neue Vorschriften sind entstanden. Im Kontext des European Green Deal veröffentlichte die EU-Kommission am 21. April 2021 neue legislative Vorschläge – darunter einen zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Demnach würde sich die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen in etwa verfünffachen. Welche Angaben zukünftig offengelegt und extern überprüft werden müssen, erarbeitet die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) im Auftrag der EU-Kommission. Die regulatorischen Verpflichtungen stellen also einen weiteren treibenden Faktor dar und verstärken die Bedeutung der nicht-finanziellen Berichterstattung.

Weitere Informationen zu den neuen Regulierungsrichtlinien finden Sie hier

ESG umfasst mehr als Ökologie

Auch wenn die Begriffe „ESG“ und „Nachhaltigkeit“ heute austauschbar verwendet werden, so bringt man Nachhaltigkeit oftmals doch zuerst mit Ökologie in Verbindung. Dabei umfasst der Begriff weitaus mehr, insbesondere wenn es um die unternehmerische Verantwortung, Benchmarking und die Offenlegung von Daten geht. Unternehmen mögen mit ökologischen Bemühungen begonnen haben, aber sie haben sich weiterentwickelt und bieten nun auch Performanceindikatoren, Relevanz für Investitionsmöglichkeiten am Kapitalmarkt und Berichterstattung. Für Investoren und die Kapitalmärkte hat sich deshalb der Begriff ESG etabliert. Mit diesem Kürzel sollen die darunter zu fassenden Themen klarer definiert und klassifiziert werden.

Quelle: mms solutions GmbH

ESG-Daten helfen bei der Identifizierung risikoadjustierter Renditen, und die Betonung aller drei Säulen hat dazu beigetragen, dass sich die Art und Weise verändert hat, wie Unternehmen ihre Leistung messen, offenlegen und darüber kommunizieren.

Eine systematische Methode, u.a. an Kennzahlen gewöhnte Investoren für soziale und ökologische Ansätze zu gewinnen, liefert in diesem Kontext der Social-Return- on-Investment-(SROI-)Ansatz. Ähnlich dem Return on Investment (ROI) wird auch beim SROI eine Kennzahl errechnet, die die generierten Umwelt- und Sozialwerte im Verhältnis zu den investierten Kosten reflektiert. Dabei kann der SROI für alle Organisationsformen genutzt werden, um unternehmerische Auswirkungen auf Interessengruppen und Stakeholder zu bemessen und Wege zur Verbesserung der Leistung sowie der Effizienz des Investments aufzuzeigen.

Neue Ansprüche an ESG-Reporting

Zahlreiche Unternehmen betreiben seit Jahren ein ausgezeichnetes Nachhaltigkeitsreporting mit Fokus auf ökologische Themen und den CO2-Fußabdruck. Besonders in den letzten Jahren hat dieses eine neue Qualität erfahren, die vor allem in der Verankerung der Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie zu erklären ist. Man kann von einer Evolution des eher isolierten Nachhaltigkeitsreportings nach GRI hin zu ESG-Reporting mit Einbindung in die Unternehmensstrategie sprechen. Ein wesentlicher Meilenstein auf diesem Weg stellt die Integration nicht-finanzieller Leistungsindikatoren in die Unternehmenssteuerung dar. Damit werden die Nachhaltigkeitsthemen genauso mess und vergleichbar wie Finanzkennzahlen.

Die Nachhaltigkeitskommunikation befindet sich also in einem dynamischen Entwicklungsprozess. Es lassen sich idealtypisch drei Professionalisierungsgrade unterscheiden.

Quelle: mms solutions GmbH

Zukunft des
ESG-Reporting

Zunächst braucht das Thema einen einheitlichen Namen. Bezeichnungen für Berichte über soziales und ökologisches Wirken von Unternehmen existieren zuhauf – C(S)R, nicht-finanzielle Berichterstattung, Triple-Bottom-Line- oder Nachhaltigkeitsberichte und neu: ESG-Reporting. Nun legt sich die EFRAG fest auf Sustainability Statement, deutsch voraussichtlich: die Nachhaltigkeitserklärung.

Gleiches gilt für die inhaltliche Ausgestaltung der Nachhaltigkeitserklärung. Mit der Emanzipation der Nachhaltigkeitsberichterstattung steigt ihre Komplexität.
Ein Indiz dafür ist die hohe Anzahl von Standards oder Ansätzen wie GRI, SASB, WBCSD, CDSB, TCFD oder AccountAbility. Neben den Bestrebungen auf EU-Ebene hat selbst die IFRS Foundation auf die Notwendigkeit von global einheitlichen Regeln hingewiesen. Einen Vorgeschmack auf die konzeptionell inhaltliche Ausgestaltung der künftigen Berichtspflicht liefern bereits die mehr als 1.000 Seiten starken Dokumente „Proposals for a relevant and dynamic EU sustainability reporting standard-setting“.

Das Ziel ist ein verpflichtender EU-weiter Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung – im Gegensatz zur aktuell gültigen Non-Financial Reporting Directive (NFRD), die es Unternehmen oder Ländern im Großen und Ganzen erlaubt, ihr bevorzugtes Rahmenwerk zu wählen. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, einen Satz von Standards für große Unternehmen sowie einen weniger strengen Satz für KMU zu entwickeln, den nicht-börsennotierte KMU freiwillig anwenden könnten.

Im Weiteren geht es darum, die erhobenen Daten zugänglich zu machen. Dafür soll die digitale Nutzung der Informationen aus den Nachhaltigkeitserklärungen von Beginn an mitgedacht werden. Die Intention der Regulatoren besteht darin, Daten durch den Einsatz von Technologie konnektiv und zugänglich zu machen. Ähnlich wie bei ESEF ist mit einer Datentaxonomie zu rechnen.

Der Vorsitzende von XBRL International, Wes Bricker, betont die Notwendigkeit von Investitionen bei den berichterstattenden Unternehmen: zum einen in personelle und finanzielle Ressourcen, zum anderen in interne Fähigkeiten und robuste Prozesse. Mit der Zeit werde die Aufbereitung der Nachhaltigkeitsinformationen, die alle Stakeholder zur Bewertung des Unternehmens benötigen, zu einem zentralen Bestandteil der externen Berichterstattung werden. ESG-Reporting sei eine Kernverantwortung und müsse sich in stabilen Abläufen, Systemen und Kontrollen niederschlagen, die sowohl bei der Aufbereitung als auch bei der Digitalisierung der Nachhaltigkeitsinformationen angewendet werden. Unternehmen müssten sicherstellen, dass sie sich kompromisslos auf den Inhalt ihrer digitalen Offenlegungen verlassen können. Dies gilt auch für Unternehmen, die sich dafür entscheiden, die Digitalisierung ihrer Abschlüsse auszulagern, anstatt sie intern zu erstellen.

Realisation von ESG-Reporting

Aus dem Blickwinkel der berichterstattenden Unternehmen stehen große inhaltliche und prozessuale Herausforderungen im Raum. Während es bei den Inhalten grundsätzlich darum geht, eine richtige Balance zwischen Wesentlichkeit und Vollständigkeit zu finden, spielen bei den Prozessen Aspekte wie Praktikabilität und Systemunterstützung eine wichtige Rolle. Konkret gesprochen müssen Unternehmen bereit sein für die Erhebung, Aufbereitung und Auslieferung der gemäß neuem Standard definierten Daten. Um dies zu erreichen, sind nachvollziehbare Prozesse, vollständige Versionskontrollen sowie Instrumente notwendig, die eine reibungslose Zusammenarbeit im gesamten Unternehmen unterstützen.

Es braucht eine digitale Plattform, die die Datenerfassung automatisiert, die Standards bzw. Rahmenwerke integriert und die Daten direkt in den Nachhaltigkeitsbericht verknüpft, ob er nun als PDF, HTML-Onlinebericht oder im XBRL-Format zur Verfügung gestellt wird.

Mit konsistenten Daten, vernetzten Arbeitsabläufen und einem integrierten XBRL-Tagging kann viel Vertrauen geschaffen werden. Vollendung findet das ESG-Reporting mit einer hervorragenden Usability beim Onlinereport. „Usable“ oder nützlich sind zum Beispiel eine interaktiv zugängliche Wesentlichkeitsmatrix oder ein interaktiver Vergleich der ESG-Kennzahlen.

Best Practice: Nachhaltigkeit bei Galenica

Vorteile durch
gutes ESG-Reporting

Die stärkere Gewichtung von ESG-Kriterien wird zum strategischen Erfolgs- und entscheidenden Reputationsfaktor, schreibt Thomas Zehnder, Vice President Group Communications bei Landis+Gyr, Schweiz, in The Reporting Times, und gutes ESG-Reporting erzeugt Vertrauen: Beispielsweise glauben 65% der Anleger, dass ethisch einwandfrei aufgestellte und transparent kommunizierende Unternehmen bessere Anlageergebnisse abwerfen.

What’s next?

Alles ist im Fluss. Die Komplexität und die Dynamik der Regulierungsanforderungen sind sehr hoch. Der viel diskutierte EU-Standard ist noch nicht verabschiedet. Taxonomien sind demzufolge noch nicht definiert. Trotzdem sollten sich Unternehmen vorbereiten, denn der Druck am Markt besteht bereits und die Investoren sowie Ratingagenturen erwarten Offenlegung. Wer die Finalisierung der ESG-Standards abwarten und weiterhin mit etablierten Standards wie GRI arbeiten möchte, kann in einem ersten Schritt die prozessualen Vorbereitungen und den Aufbau einer digitalen Plattform mit Taxonomiefähigkeit vorantreiben – um dann bereitzustehen, wenn es 2023 mit der EU-Regulation ernst wird.

Autorin: Anna Bertele

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