5 Erkenntnisse aus dem GB-Symposium 2021

Das diesjährige Geschäftsberichte-Symposium trug den Titel «Navigating the stakeholder jungle» und hat nach einer Corona bedingten Pause wieder im GDI in Rüschlikon stattgefunden. Die fünf wichtigsten Erkenntnisse der diesjährigen Veranstaltung fassen wir hiermit zusammen.

1. Purpose

Es war die Mutter, die den Messerschmied Karl Elsener im ausklingenden 19. Jahr­hundert dabei unterstützte, die Grundmauern eines der weltweit bekanntesten internationalen Markenherstellers zu legen. So beginnt sein Urenkel Carl, der heutige CEO von Victorinox, die Geschichte des Unternehmens zu erzählen.

Unternehmerisches Handeln in einen Sinn stiftenden Kontext stellen

Der Berater für strategische Kommunikation in Mailand, Joakim Lundquist, sieht im Sinn stiftenden Narrativ, auch Purpose genannt, die Grundlage für effektives Story­telling. Bei Victorinox lebt der Plot von der Werthaltung, welche in der Familie gelebt wird und die die Firma durch zahlreiche Krisen geführt hat, vom Ersten Weltkrieg bis zum Umsatzeinbruch wegen Covid­-19. Die Unternehmerfamilie, die durch den Verzicht auf Dividenden Arbeitsplätze sichert, die aber auch den Mut aufbringt, mit dem Ruf eines Messerschmieds die Geschäfte auf Uhren und Parfums auszuweiten.

Andernorts in der Schweiz fehlt solch unternehmerischer Mut, insbesondere in der digitalen Welt, wie Marc Walder in seinem Referat feststellt. Investoren würden lieber in Palo Alto in die Digitalisierung investieren als in der Schweiz, meint der Ringier­ Chef und Initiant der Aktion digitalswitzerland. Offenbar glaubt man hierzulande (noch) nicht an den digitalen Purpose für die Schweiz.

«Tell a human story», empfiehlt Kommunikationsstratege Lundquist.

Mit Daten und Infotainment überzeugen

2. Storytelling

Der Mensch ist ein Tier, provoziert Neuropsychologe Lutz Jäncke. 90 Prozent unserer Signale, die wir notabene unbewusst aussenden, sind nonverbal. Gleichzeitig werden emotionale Informationen von uns schneller verarbeitet als rationale Argumente.

Berichterstattung so persönlich gestalten wie möglich, ist die Devise von Christiaan Prins, Vice President Corporate Communications bei Barry Callebaut. Das heisst, Zahlen und Fakten an Geschichten über Menschen festmachen. Und weil es bei einem der grössten Schokoladeproduzenten viel zu sagen gibt, ist ein klarer Fokus das Gebot. Deshalb werden Stories bei Barry Callebaut streng nach ihrem Beitrag zum strategischen Kontext selektiert.

Für Marco Stampa ist Storytelling ein strategisch wichtiges Werkzeug in der Transfor­mation, in der sich seine Arbeitgeberin Saipem S.p.A. mitten in der Energiewende befindet. Der italienische Konzern stellt Maschinen und Infrastruktur für die Gas­ und Ölindustrie her und ist in 60 Ländern weltweit tätig. Saipem hat auf Instagram eine Million Follower. Um nicht in die Greenwashing­-Falle zu tappen, lautet sein Tipp: Berichte kohärent über das Wesentliche und ehrlich anhand überprüfbarer Fakten! Jetzt zwingt ihn die Regulierung zunehmend, die internen Kapazitäten für das Daten­ sammeln, statt für das Storytelling einzusetzen.

Lust und Emotionen beim Lesen von Geschäftsberichten? Das geht, sagt Johanna Walser von Ringier. Das Reporting des Familienunternehmens wird seit vielen Jahren von international renommierten Künstlern gestaltet. Das hilft, die Marke zu differen­zieren. Zudem kann Ringier beim Infotainment voll auf die Kommunikationskompetenzen aus dem eigenen Haus zählen.

Wer sich ändern will, muss anders sein. So lautet ein Motto der Baloise, die das Dreh­buch für ihr Storytelling schon vor einiger Zeit zu einer Art Netflix­-Serie mit mehreren Staffeln umgeschrieben hat, wie Dominik Marbet ausführt. So macht das Management die Strategie statt mit Folienschlachten mit der Darstellung eines (Schlacht­-)Schiffs den Investoren plausibel.

Verstehen, wie der Geschäftsbericht gelesen wird

3. Digitalisierung

Es ist noch nicht lange her, dass Unternehmer in der Schweiz dachten, das Virus der Digitalisierung ziehe einfach vorbei. Davon spricht Group­ CEO Marc Walder, wenn er berichtet, wie er ausgelacht worden sei, als Ringier 2014 die Schweizer Online­ märkte von Scout 24 gekauft hatte. Rückblickend meint er, sei man damals nicht zu früh, sondern Jahre zu spät in das Geschäft eingestiegen.

Digitale Kommunikation wird selbst heute noch nicht wirklich verstanden, konstatiert Monika Kovarova. Die Expertin für Finanzkommunikation an der FH St. Pölten legt uns ans Herz, die Berichterstattung nicht nur auf den naheliegenden Mainstream, sondern auf eine breitere Zielgruppe auszurichten. Ein PDF geht für sie deshalb nicht als digitales Kommunikationsmittel durch, weil es die maschinelle Suche übers Internet und die Lesbarkeit durch Maschinen nicht unterstützt. Man müsse verstehen, wie Analysten und Rating-­Agenturen Informationen verarbeiten, sagt Kovarova. Der Börsen­ dienst Bloomberg beispielsweise sucht die Websites der Unternehmen mit Hilfe von Algorithmen nach Stichwörtern ab.

Es gibt nichts Neues unter der Sonne, aber neue Sonnen, zitiert Phil Fitz-­Gerald vom britischen Standardsetzer FRC die Science­-Fiction­-Autorin Octavia E. Butler. Des­ wegen laste ein grosser Druck auf den Unternehmen, ihr Reporting zu überdenken. Die Anforderungen an das ESG­-Reporting werden ab nächstem Jahr stufenweise steigen. Der FRC wünscht sich ein baldiges Ende des papierzentrierten Reportings: digital first, logisch strukturiert und Zahlen mit XBRL codiert.

Doch unser Gehirn ist nicht für so eine Welt geschaffen, sagt Uniprofessor Jäncke. Es kann pro Sekunde höchstens 56 von 11 Millionen Bits, die auf uns einprasseln, bewusst verarbeiten. Was nun? Back to the roots und zu den klassischen Kommunikations­ wegen? In der Pandemie haben wir erlebt, wie wichtig es ist, einander in die Augen zu sehen. Tun wir also das eine und lassen das andere nicht.

Antworten liefern auf die Frage, wie ESG im Unternehmen gemessen wird

4. Stakeholder-Kapitalismus

Ein von Karl Marx geprägter Begriff erhielt dank Klaus Schwab 2021 eine neue Note. Für die Geschäftsführerin von BlackRock, Mirjam Staub­-Bisang, ist Stakeholderkapitalismus der zukunftsweisende Weg zwischen Shareholder-­ und Staatskapitalismus. Der Sinnes­wandel von der Wert­ zur Wertegesellschaft ist spürbar. Noch spiegle er sich aber nicht in den Vergütungen der Vorstände und Verwaltungsräte. BlackRock will das im Auge behalten. Denn ESG­-Themen bergen nicht nur Chancen und Risiken für die Reputation, sondern zunehmend für den Shareholdervalue. Netto­null CO2-Ausstoss bis 2050 versteht BlackRock als Verpflichtung für die Unternehmen, in die man investiert.

Immerhin kann Richard Marsh in seinem Referat berichten, dass Bonuszahlungen an das Management von British Telecommunications neu zu 10 Prozent an Nachhaltigkeitsziele geknüpft sind.

Was für Staub­Bisang eine tektonische Verschiebung ist, ist für die dänische Mehrfach­verwaltungsrätin Lise Kingo (Sanofi, Covestro und Aker Horizons) inzwischen ein globaler Notfall. Die Ungleichheit steigt, die Lebenserwartung sinkt, und zwar in Ländern, in denen wir mit steigendem Wohlstand gerechnet haben. Der Klimawandel bedroht die ganze Welt. So nehmen es besonders die Millennials wahr, also die nächste Genera­ tion von Kunden und Konsumenten. Und daher verschieben sich die Kapitalflüsse jetzt hin zu nachhaltigerem Wirtschaften.

Für Joss Tantram, Direktor des WBCSD­-Programms «Redefining Value», haben jene Unternehmen die besseren Karten bei der Kapitalbeschaffung, welche ESG­-Themen in ihre Berichte schlüssig und strategisch konsistent integrieren. Hingegen zeigt die Analyse des WBCSD, dass das bisher nur wenige Unternehmen fertigbringen. Als Easy Win empfiehlt Tantram an prominenter Stelle, die Kontaktdaten des Ansprechpartners für ESG­-sensible Investoren zu publizieren.

In jedem Interview werde er neuerdings gefragt, wie ESG gemessen werde, sagt Martin Zwyssig, CFO bei der polymerverarbeitenden Unternehmensgruppe Rehau. Es sei die neue Rolle des Finanzchefs, die Kennzahlen aufzuzeigen, die nachhaltig Werte schaffen, deren Abhängigkeiten zu kommentieren und sicherzustellen, dass die Mittel im Unter­ nehmen im Sinne der Werttreiber eingesetzt werden. Das setze ein fundiertes Verständ­nis des Geschäftsmodells voraus.

Finanzielle und nichtfinanzielle Performance gleichrangig behandeln

5. Double Materiality

Wesentliche Tatbestände gehören im Jahresabschluss offengelegt. Die Europäische Kommission hat den alten angloamerikanischen Grundsatz von Materiality (Wesent­lichkeit) um eine Dimension erweitert und 2019 den Begriff der Double Materiality ein­ geführt. Der Begriff umfasst Tatbestände, welche den Wert eines Unternehmens beeinflussen und gleichzeitig ökologische oder soziale Auswirkungen auf eine breite Schicht der Stakeholder des Unternehmens haben. Nun wird «soft law» zu «hard
law», kommentiert Olivier Jaeggi von Ecofact die neuen Anforderungen an die ESG­ Berichterstattung in der EU.

Als Expertin von Sustainserv berät Manuela Huck Unternehmen darin, wie eine multi­dimensionale Wertschöpfung aufgezeigt wird. Heraus kommt dabei eine bessere Kommunikation, ein besseres Verständnis des Unternehmens und eine bessere Ziel­ erreichung. Zu ihren Kunden gehört die Swiss Prime Site, welche sich dafür am Value­-Creation­-Modell des IIRC orientiert. CEO René Zahnd sieht in diesem Ansatz Ähnlichkeit zum Building Information Modeling BIM, das sich gerade in der Bauwirt­ schaft durchsetzt. Man arbeitet nicht mehr sequentiell, sondern parallel und vernetzt. Er rät zu einem klaren Fokus und warnt vor Greenwashing. Die Schweizer Erfindung, zum Beispiel CO₂ aus der Luft abzusaugen, sei zwar eine gute Idee, bekämpfe aber das Problem nicht an der Quelle.

Aus der Forderung der Regulatoren nach Double Materiality leitet Christian Leitz, verantwortlich für Responsibility Management bei der UBS, die Forderung nach der Verbesserung der Datengrundlage des Reportings ab. Die CSR Directive der Euro­päischen Kommission verlangt die Messung des Impacts auf Umwelt und Gesellschaft. Leitz fragt: Aus welcher Quelle werden die benötigten Vergleichsdaten, die nicht vom Unternehmen selber erhoben werden, herkommen? Auf die Antwort der EU warten wir gespannt.

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